Galerieporträt:
NOME
Kimberly Bradley
Die Idee zur Gründung einer Galerie entstand 2013 in Gesprächen zwischen Luca Barbeni, dem Gründer von NOME, und seinem Freund Paolo Cirio. Barbeni kuratierte seit Jahren ein Medienkunstfestival in seiner Heimatstadt Turin, während Cirio, ebenfalls Turiner, sich als Konzeptkünstler einen Namen gemacht hatte. Seine vielschichtigen Arbeiten thematisieren häufig die sozialen Komplexitäten unseres schnelllebigen Informationszeitalters. „Paolo und ich beschlossen, methodisch und konzeptionell von der Medienkunst zur zeitgenössischen Kunst überzuwechseln“, erklärt Barbeni. Er erkannte die Unterschiede zwischen den beiden Kunstszenen und sah das Potenzial, das in der zeitgenössischen Kunst steckte. Zu dieser Zeit war die Post-Internet-Kunstbewegung im Aufwind und gewann an Bedeutung. „Paolos künstlerische Praxis entwickelte sich weiter, und ich beschloss, eine Galerie zu eröffnen.“

Installation view
“Cut Leave, Split Peach” by Xiyadie at NOME.
Photo by Gianmarco Bresadola
Barbeni gründete NOME 2015 in Friedrichshain, abseits von den etablierten Berliner Galerien. Anfangs waren nur Cirio und der englische Künstler und Schriftsteller James Bridle im Programm. Bridle machte gerade als kontroverser Kritiker gesellschaftlicher Strukturen und Systeme von sich reden. Beide Künstler teilten Barbenis Interesse, einige der drängendsten Probleme unserer Zeit zu beleuchten und zu hinterfragen. Ihre Themen, wie die Auswirkungen der Technologie auf die Kultur und die Klimagerechtigkeit, sowie ihre Medien, oft digital oder vom Digitalen inspiriert, waren nicht unbedingt Selbstläufer in einer kommerziellen Galerie. Gerade deshalb verdienten sie eine Plattform.
Den Schritt vom Festivalkurator zum Galeristen machte Barbeni vor allem, da er eine dauerhafteren Beziehung zu den Künstler*innen suchte. „Bei einem Festival arbeitet man das ganze Jahr über für eine dreitägige Veranstaltung, und die Künstler*innen kommen und gehen“, erklärt er. Eine Galerie hingegen ermöglicht einen kontinuierlichen, oft tiefergehenden Austausch von Menschen und Ideen.
Auch die Wahl Berlins als Standort für seine Galerie war nicht willkürlich. Barbeni hatte die deutsche Hauptstadt oft besucht und war besonders von der Transmediale, dem Festival für Medienkunst, beeindruckt. „Mein eigenes Festival war eine Art Mini-Transmediale“, scherzt er. Turin, seine Heimatstadt, hätte für seine Pläne „eine riskante Wahl“ dargestellt, daher erschien Berlin als naheliegend. „Ich kannte hier schon einige Leute, und ich wollte in einer internationalen Stadt leben. Berlin war für mich einfacher zugänglich als London oder Paris“.

Installation view
“Schemes of Belligerence” by Cian Dayrit at NOME.
Photo by Billie Clarken

Installation view
“Symdemic Studies” by Voluspa Jarpa at NOME.
Photo by Billie Clarken
Die Galerie zieht 2017 nach Kreuzberg; das Programm nahm an Fahrt auf. Der neue Standort wurde mit einer von Cirio kuratierten Gruppenausstellung mit dem Titel Evidentiary Realism eröffnet, die später in abgewandelter Form auch in der Fridman Gallery in New York gezeigt wurde. Die Ausstellung befasste sich mit forensischen Untersuchungen zu Machtstrukturen nach 9/11 und im postfaktischen Zeitalter – einem Thema, das zum Kern der aktuellen konzeptuellen Ausrichtung der Galerie wurde. Über die Medienkunst hinaus, die seit Ende der 2010er Jahre als „digitale Kunst“ bezeichnet wird und dank des jüngsten NFT-Hypes heute weitaus stärker in die Kunstwelt integriert ist als früher, hat die Galerie ihr Programm um Künstler*innen aus anderen Bereichen erweitert, die sich mit ebenso wichtigen Themen auseinandersetzen. Zu ihnen gehört Kameelah Janan Rasheed, eine in Brooklyn lebende Multimedia-Künstlerin, die in ihren Arbeiten häufig Texte verwendet, um die Fluidität Schwarzer Epistemologien zu untersuchen. Ein weiterer Neuzugang ist Cian Dayrit, bekannt für seine alternativen Landkarten aus Textilien.
2020 zog NOME in ein Ladenlokal an der Potsdamer Straße um und nahm ältere, etabliertere Künstler*innen wie den in Brooklyn lebenden Dread Scott und den kroatischen Künstler Igor Grubić im Programm auf. Ein Grund für den Umzug war die Lage. „Ich hatte das Bedürfnis, näher am Zentrum zu sein“, erklärt Barbeni. Der größere, besser sichtbare Ort ermöglichte es NOME jedoch auch, mit neuen Formaten zu experimentieren. Die Reihe Dialogues zeigte immer zeitgleich zwei Einzelausstellungen von Künstler*innen mit ähnlichen Schwerpunkten, aber unterschiedlichen Herangehensweisen – oder aus verschiedenen Generationen. So wurden beispielsweise die Arbeiten von Rasheed und Scott gegenübergestellt, oder die von Bridle und dem niederländischen Künstler Jonas Staal, dessen Arbeiten zum Thema Demokratie heftige öffentliche Debatten ausgelöst haben.
Darüber hinaus pflegt NOME fortlaufende Kooperationen, beispielsweise mit der für ihr progressives Programm bekannten Galerie Laveronica auf Sizilien. Ende 2022, einige Monate nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, präsentierte die Galerie eine Gruppenausstellung mit ukrainischen Künstler*innen der Galerie The Naked Room in Kiew. Der Ansatz ist dabei stets politisch und kritisch hinterfragend. „Unsere jüngste Ausstellung Are We There Yet? war eine Gruppenausstellung, die sich mit den autoritären Entwicklungen unserer heutigen Gesellschaften auseinandersetzte“, erklärt Barbeni. Ausgehend von einem kleinen textilen Kunstwerk von Rasheed entstand eine ganze Ausstellung, die sich mit Themen wie staatlicher Überwachung, Polizeigewalt und Masseninhaftierungen auseinandersetzt.

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“Overexposed” by Paolo Cirio at NOME.
Photo by Gianmarco Bresadola

Lee Ranaldo live at NOME.
Courtesy the artist and NOME.
Nach zehn Jahren hat sich NOME fest in der europäischen Kunstszene etabliert. Die Galerie ist Stammgast auf der Artissima in Turin und präsentierte und verkaufte letztes Jahr auf der Art Basel in der Sektion „Statements“ eine Textilarbeit des auf den Philippinen lebenden Künstlers Cian Dayrit. Darüber hinaus war NOME bereits auf renommierten Kunstmessen wie der Arco Madrid, der Armory Show, der Art Brussels, der Expo Chicago, der Loop, der Miart und der Viennacontemporary vertreten. Der Berliner Sammlermarkt ist für die Galerie mit ihren kritischen Arbeiten manchmal eine Herausforderung, da Sammler*innen oft eher dekorative Stücke suchen. Doch das ändert nichts an der Ausrichtung und am Erfolg von NOME. Die Galerie verkauft Werke verschiedener Medien an Kunstinstitutionen weltweit, bis nach Australien, und hat sich ein starkes Netzwerk aufgebaut, das andere Berliner Galerien wie Chert Lüdde und KOW sowie zahlreiche lokale Kurator*innen umfasst.
Beim Gallery Weekend Berlin 2025, bei dem Barbeni und NOME zum ersten Mal in der 21-jährigen Geschichte der Veranstaltung offiziell dabei sind, präsentiert die Galerie mit Uncensored die erste Einzelausstellung der in Berlin lebenden britischen Multimedia-Künstlerin Danielle Brathwaite-Shirley. Ihre interaktiven Werke, die in Form von Videospielen zur Selbstreflexion anregen, wurden im vergangenen Herbst mit großem Erfolg in der Halle am Berghain gezeigt. Wer Brathwaite-Shirleys Arbeit kennt, weiß, dass die Ausstellung düster und provokant sein wird, aber auch einen ironischen Unterton haben dürfte. Auf ihrer Website schreibt Brathwaite-Shirley, dass die Gefühle des Publikums das eigentliche Medium ihrer Arbeit sind: „Vielleicht fühlst du dich unwohl. Vielleicht fühlst du dich repräsentiert. Aber auf keinen Fall wirst du dich vergessen fühlen.“ Barbeni dagegen vergleicht die kommende Ausstellung mit einem Punk-Konzert und sagt: „Ich möchte damit ein Statement setzen.“

Installation view
group show “are we there yet?” at NOME.
Photo by Marjorie Brunet Plaza
Gallery Portrait:
NOME
Kimberly Bradley
In 2013, Luca Barbeni, founder of NOME, began percolating an idea with his friend Paolo Cirio. For years, Barbeni had been curating a media-arts festival in his native Turin, Italy. Cirio, also from Turin, was forging a career as a conceptual artist whose deeply layered work often investigates and interrogates social complexities in our quickly changing information age. “Paolo and I decided to methodologically and conceptually move from media art to contemporary art,” explains Barbeni, having noticed the differences in the ecologies of the two ecosystems, but also realizing the potentials in the latter: At the time, the Post-Internet mini-movement was buzzy, and growing fast. “Paolo evolved his practice. And I decided to open a gallery.”

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“Cut Leave, Split Peach” by Xiyadie at NOME.
Photo by Gianmarco Bresadola
In 2015, Barbeni launched NOME in Friedrichshain, far from the usual gaggles of galleries in Berlin, at first with only two artists: Cirio, of course, and English artist/writer James Bridle, who at the time was just beginning to make a name for himself as a provocative investigator of societies and systems. Both reflected Barbeni’s interest in unpacking or exposing facets of some of our most pressing contemporary issues. The artists’ topics (how technology shapes culture, climate justice, and more) and mediums (often digital or digital-inspired) weren’t exactly easy commercial-gallery fare, but they definitely deserved a platform.
Shifting from festival curator to gallerist had its reasons: Barbeni was looking for more continuous relationships to the artists he was working with. “With a festival, you work all year for a three-day event, and the artists come and go,” he explains. A gallery, on the other hand, allows for ongoing and often deeper exchange between people and ideas. And why Berlin? Before moving here, Barbeni had often visited the German capital and, given his media-art focus, was especially inspired by the Transmediale festival (“my festival was like a mini-Transmediale,” he quips). With Turin then being “a long shot” for what he was planning to do, Berlin made sense. “I knew some people here. I needed to be in an international city, and this was easier in Berlin than in places like London or Paris,” he says.
When NOME moved to Kreuzberg in 2017, “the program really started,” explains Barbeni. The new venue launched with a group show called Evidentiary Realism, curated by Cirio (which also ran in another form at Fridman Gallery in New York): Its subject matter – forensic research into post-9/11, post-truth power structures – evolved into the core of the gallery’s current conceptual direction. Programming expanded beyond media art (redubbed “digital art” at some point in the late 2010s, and now far more widely integrated into the art world than in the past, perhaps thanks to recent NFT hype) to include artists coming from other practices and exploring other important topics: Kameelah Janan Rasheed, for example, a Brooklyn-based multimedia artist whose work often uses text to dive into the fluid nature of Black epistemologies, joined in, as did Cian Dayrit, known for his countermapping textiles.

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“Schemes of Belligerence” by Cian Dayrit at NOME.
Photo by Billie Clarken

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“Symdemic Studies” by Voluspa Jarpa at NOME.
Photo by Billie Clarken
By 2020, Barbeni took on older, more established artists, including Brooklyn-based Dread Scott and Croatian artist Igor Grubić, and moved to a streetside space on Potsdamer Strasse. Part of the move was simple geography (“I felt the need to be a bit more in the center,” says Barbeni) but the larger, more visible venue has also allowed NOME to experiment with evolving formats. A series called Dialogues, for example, consisted of two solo presentations running simultaneously and featuring artists with similar research interests but coming from different approaches or generations. One such exhibition paired Rasheed and Scott’s work; another juxtaposed the work of Bridle and Dutch artist Jonas Staal, whose work on democracy has provoked fiery public debate.
Also taking place are ongoing collaborations with international galleries like Laveronica in Sicily, which is known for its progressive programming, and in late 2022, a few months after Russian troops invaded Ukraine, NOME mounted a group exhibition featuring Ukrainian artists from The Naked Room, a gallery in Kyiv, Ukraine. NOME’s focus is always political and interrogative in some way: “Our most recent exhibition was Are We There Yet? a group show about the authoritarian twist of our contemporary society,” says Barbeni: Based on a small textile piece by Rasheed, it grew to encompass art grappling with issues like state surveillance, police brutality, and mass incarceration.
Ten years in, NOME has long been a regular on the European art-fair circuit: Artissima in Turin is a perennial favorite. NOME showed (and sold) a textile work by Phillipines-based Cian Dayrit in the Statements sector at last year’s Art Basel in Basel, and the gallery has appeared at Arco Madrid, the Armory Show, Art Brussels, Expo Chicago, Loop, Miart, and Viennacontemporary. The collector market in Berlin is trickier to crack – and critical work isn’t necessarily easy to sell to those collectors looking for easy-to-view pieces to put over the fireplace. But that’s not the point: NOME sells work in all mediums to art institutions as far away as Australia, and in the meantime has cultivated strong relationships with other Berlin galleries including Chert Lüdde and KOW, as well as a long list of local curators.

Installation view
“Overexposed” by Paolo Cirio at NOME.
Photo by Gianmarco Bresadola

Lee Ranaldo live at NOME.
Courtesy the artist and NOME.
For Gallery Weekend Berlin 2025 – Barbeni and NOME’s first time as an official participant in the 21-year-old event – the gallery presents its first solo show, titled Uncensored, with British-born, Berlin-based multimedia artist Danielle Brathwaite-Shirley, whose provocative and interactive video-game-as-provocative-self-reflection pieces were on view to wide acclaim at Halle am Berghain during Berlin Art Week last fall. Knowing Brathwaite-Shirley, the show will be dark, edgy, but also just a bit tongue-in-cheek. “How you feel is the medium I am working with. You may feel uncomfortable. You may feel represented. But you won’t feel forgotten,” the biography page on Brathwaite-Shirley’s website proclaims. “If you’d make a musical reference, it’s a punk show,” says Barbeni on the upcoming exhibition. “I want to make a statement.”

Installation view
group show “are we there yet?” at NOME.
Photo by Marjorie Brunet Plaza